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Montag, März 24, 2008

Buchvorstellung mit Roman L - Ausgabe 21

Jede Woche stelle ich Euch Bücher, welche ich in der jeweiligen Woche gelesen habe, vor.
Heute: Anarchy in the UKR

Der 1974 im ukrainischen Starobilsk geborene Lyriker und neuerdings auch Romanautor Serhij Zhadan, der durch seine Schriften als Antipod zum bekannten Dichter und Schriftsteller Juri Andruchowytsch gilt, führt uns in seinem Buch an die Orte seiner Kindheit.. Eine Reise in die Vergangenheit, in der scheinbar Alles gewaltigen Veränderungen unterworfen ist oder nur eingebildeten Wandel.

Einige der besten Zeilen:
- Seitdem hat sich kaum etwas verändert, dasselbe Publikum, dieselben frustrierten Gesichter, derselbe Trott, so weit ich weiß haben die Eisenbahner den höchsten Prozentsatz an Geschlechtskrankheiten, kein Wunder bei dem, was sie saufen.
-...wenn sich die Polizisten auch noch anfangen sich zu schminken ist ihr gesellschaftliches Ansehen, das ohnehin ramponierte, vollends im Arsch.
-...ab und zu mußt du deine Dämonen auf Urlaub schicken, sie entsteigen ohnehin Nacht für Nacht deinen Lungen wie Brieftauben ihren Schlägen und fliegen auf Strecken, die nur sie kennen;
-..fremden Wahnsinn musst du respektieren, wer weiß, wie du dich in ein paar Jahren in der Öffentlichkeit aufführst.
-S.57
-Ich denke überhaupt, daß eine von Autoscheinwerfern erhellte, nächtliche Chaussee, die um diese Zeit da ist, mit all den Insekten, die gegen die Windschutzscheibe fliegen, mit den Bäumen, Vögeln und vorüberziehenden Gespenstern, die im Dunkel stehen und keine Kraft haben, ins Licht zu treten, um sich darin aufzulösen, daß so eine Chausee das Beste ist, was Du in deinem Leben zu sehen bekommst. So ein Gesülze.
-Schenk mir deine Mütze, sagte er. Fick Dich ins Knie, sagte ich. So gingen wir wieder als Freunde auseinander.
-Außerdem denke ich, daß wir, obwohl sie und ich in die gleiche Richtung laufen, also von West nach Ost, und wir auch ungefähr dasselbe Tempo haben, an ganz unterschiedlichen Orten ankommen.
-..hier irgendwo muss es sein, paß gut auf, daß du die richtige Tür erwischst, mach langsam und lausche, hinter einer Tür hörst du jetzt dieses krampfhafte Ringen nach Atem, das schwere Schlagen des großen, roten Herzens, verfettet und vom löslichen Kaffee zerstört, du kannst diese verzögerte endlose Arythmie nicht überhören, die dir täglich vom Fernsehschirm oder aus den Werbespots im Radio entgegenschlägt, diesem dissonanten, verkrampften Herzschlag, der dir vertraut ist wie keinem anderen... das ist das richtige Zimmer. Genau hier musst Du die Bombe ablegen.
-Nach einer halben Stunde fand ich sie in der Wanne, sie duschte, war naß und total am Ende und ließ sich küssen.
-S.204-216.

"Anarchy in UKR" ist zwischen den Zeilen Anklage an den Lauf der Zeit, an die Politik an die Lethargie und an Wirtschaftsystemen. Die Rückschau eines jungen Menschen durch die anerzogene Brille, welche er von Zeit zu Zeit aufgrund seines Lebens abzustreifen oder sich gar herunter zu reißen gezwungen ist.
Die letzten dreizehn Seiten stellen für mich das Beste seit langer Zeit dar.
Sprachlich herausragend, brachial, geil!

Übersetzt von Claudia Dathe.
216 Seiten / Suhrkamp verlag / 10 Euro

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