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Freitag, September 18, 2009

Buchvorstellung mit Roman L - Ausgabe 62

Jede Woche stelle ich Euch Bücher vor, welche ich in der jeweiligen Woche gelesen habe.
Heute: Das Leben der Wünsche

Der österreichische, in Wien lebende, mit Daniel Kehlmann befreundete Schriftsteller Thomas Glavinic hat es mit seinem neuen Roman auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft. Dort war er mit „Das bin doch ich“ auch und dies beide Male vollkommen zu Recht.
„Das Leben der Wünsche“ ist eine Geschichte über die Unerbittlichkeit, aber auch über die schicksalhaften Wendungen, welche die Realität für einen Mitdreissiger bereit hält. Zeilen gefüllt von Sehnsucht, Berührungen, Wünschen, Zielen und eben Zufällen.


Einige der besten Zeilen:
- In der warmen Jahreszeit summieren sich die vielen kurzen Blicke in hübsche Gesichter, auf nackte braune Schenkel, auf Bäuche und in Dekolletés, die sich im Laufe des Tages präsentiert hatten, meist zu einem Wunsch nach Entladung und Befreiung, sie kulminieren in der Lust auf einen friedlichen Orgasmus.
- Allmählich glaube ich, du bist gar nicht wirklich nett, du willst im Gegenteil die Menschen quälen, indem du sie durch wiederholte Zuwendung unter Druck setzt.
- Jede Frau hatte eine klein wenig andere, eine besondere Art zu lieben, und Jonas war verrückt nach der von Marie.
- Antworten auf die Fragen des Lebens, die ihn beschäftigten, hatte er immer schon in der Liebe gesucht.
- Ihn erfüllte eine so schmerzhafte, wütende Sehnsucht nach ihr, dass er sich im Schlafzimmer einsperrte, um mit sich und seinem Bild von ihr allein zu sein.
- Hinter seiner Stirn knackte es wie unter Wasser.
- Wenn ich jemals an den Everest käme, weißt du, was ich sagen würde? Diesem Berg widme ich all meine Berge.
- Mit aller Kraft versuchte er sich im Hier und Jetzt festzuhalten.
- Machs gut, sagte er schnell zu Helen. Und schloss in sich die Tür.
- S. 123
- Im Wein schwamm eine Mücke. Er fischte sie mit Hilfe der Serviette heraus. Sie lebte noch. Er freute sich.
- Einen Zahn zu verlieren ist wie ein kleiner Tod.
- Jonas hatte das Gefühl, an sich zu ertrinken.
- Er konnte sich geradezu selbst noch spüren, das, was er beim letzten Mal von sich hiergelassen hatte,
- Weltausschaltcode, sage Jonas. Was? Vielleicht gibt es ein Kürzel am Computer, das die ganze Welt ausschaltet.

Thomas Glavinic ist ein Sprachvirtuose. Darüber hinaus entspinnt er wahnwitzige Geschichten, die dem Leser den Spiegel vorhalten und dies auf wunderbar lakonische Weise. Wer „Das bin doch ich“ nicht gelesen hat, sollte sich beide Bücher zulegen.

320 Seiten; Hanser Verlag, 21, 50 Euro

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