Buchvorstellung mit Roman L - Ausgabe 115
Unbestreitbar ist der 1951 in Madrid geborene Schriftsteller,
wie glühender Anhänger von „Real Madrid“, Javier Marias einer der besten seiner
Zunft. In seinem nunmehr dreizehnten Roman „Les enamoamientos“ (wörtlich
übersetzt wäre das in etwa mit Quetschungen) beschäftigt er sich mit dem Tod,
unterschiedlichen Moralentwürfen und der Verliebtheit.
Mit den Augen einer Verlagskauffrau beobachten wir die
innige Vertrautheit eines Paars.
Als der fünfzigjährige Mann jedoch einige Zeit später auf
höchst unglückliche Weise brutal erstochen wird, beginnt eine philosophisch,
literarische Kriminalgeschichte.
Einige der besten Zeilen:
- Wer verlassen wurde, kann von einer Rückkehr träumen,
davon, dass dem Verlassenden eines Tages ein Licht aufgeht
und er zu unserem Kopfkissen zurückkehrt, selbst wenn wir wissen, dass er uns
längst ersetzt, sich in eine andere Frau, eine andere Geschichte vertieft hat
und sich nur an uns erinnert, wenn es mit der neuen nicht gut läuft oder wenn
wir hartnäckig bleiben, gegen seinen Willen bei ihm auftauchen und versuchen,
ihn zu beruhigen, zu erweichen, sein Mitleid zu erwecken oder Rache zu üben,
wenn wir ihn spüren lassen, dass er uns niemals ganz loswerden wird, dass wir
keine schrumpfende Erinnerung sein wollen, sondern ein unverrückbarer Schatten,
der ihn immer umschleichen und belauern wird, und ihm das Leben zur Hölle
machen, ihn am Ende dazu bringen, uns zu hassen.
- Beim Betroffenen hält die Wirkung viel länger an als die
Geduld derer, die gewillt sind, ihm zuzuhören und beizustehen, schnell
versickert sie Bereitschaft in der Eintönigkeit.
- Gern wünschen wir,
dass niemand stirbt, nichts zu Ende geht von dem, was uns begleitet und
liebe Angewohnheit ist, merken jedoch nicht, dass Angewohnheiten einzig dann
unversehrt bleiben, wenn man sie uns mit einem Schlag nimmt, ohne dass sie
abdriften oder sich entwickeln können, ohne dass sie uns verlassen oder wir
sie.
- Man gewöhnt sich daran, in Erwartung einer Gelegenheit zu
leben, die nicht kommt, quasi in aller Seelenruhe, in Sicherheit und
teilnahmslos, quasi ohne zu glauben, dass sie je eintreten wird.
- Wie merkwürdig ist unsere Zeit, dachte ich. Über alles
darf man reden, alle Welt hört man an, was sie auch getan haben mag, und nicht
nur, um ihr Gelegenheit zur Verteidigung zu geben, sondern als wäre der Bericht
ihr Gräuel an sich schon von Interesse.
Marias ist ein Meister der klassischen Struktur, der ganz
großen Gefühle und vor allem der Leidenschaft.
Entgegen anderer Rezensenten bin ich nicht der Meinung, dass
dies „der beste Marias, den es je gab“ ist, aber zumindest fast.
Großartig übersetzt von Susanne Lange
S. Fischer; 19,90 Euro; 432 Seiten.
Labels: Die sterblich Verliebten., Javier Marias
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