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Dienstag, Mai 08, 2007

Lebhaft - Eine Fabel


Eines regnerischen Tages, als der Himmel gegen das Grau verloren hatte, traf der, von seinem Verstand gequälte Räuber am Wegesrand auf einen Mönch. Seinem inneren Unmut kundzutun, sprach er ihn unversehens an:
„Ich bin ein Übeltäter und leide unter meinem Leben. Gibt es für mich einen Ausweg? Was kann ich nur tun, um diesem elenden Leben zu entgehen?"
Der seelenruhige Mönch blickte den Räuber, ohne die leiseste Wertung in seinem Geiste aufkommen zu lassen, von oben bis unten an. Dann öffnete er seinen Mund und über seine Lippen hinweg sprudelte die Frage, auf welchem Gebiet denn dessen Talent verborgen wäre.
"Nirgendwo", antwortete der Räuber augenblicklich.
"Da gibt es nichts?" ,fragte der Mönch erstaunt und führte verwundert aus, dass es doch irgendetwas geben müsste, was sein Gegenüber gut könne.
Der Räuber verstummte für einen Augenblick und gab schließlich kleinlaut zu:
"Da gäbe es etwas. Ich kann gut stehlen!"
Der Mönch schmunzelte darufhin und sprach:
"Ausgezeichnet, das ist genau das, was du jetzt brauchen wirst. Geh an einen abgeschiedenen Ort und raube alle deine Wahrnehmungen. Stiehl alle Sterne vom Himmel und löse sie in einem Sack der Leerheit auf, dem allumfassenden Raum der Natur des Geistes."
Der Räuber befolgte seinen Rat und es dauerte keine einundzwanzig Tage bis sich ihm die Natur seines Geistes offenbarte.

(Bild:"Die Qualle im Weltmeer segelt, es ist Quatsch wenn man im Wasser vögelt" von Martin Kippenberger 1995)